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At-Tariq – Islam & Christentum – Folge 4           Im Anschluss um 14:30 Uhr: DIE STUNDE DER SEELSORGE
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P. Mauritius Wilde OSB
Mk 8, 27–35
Die erste Lesung aus dem Propheten Jesaja kennen wir vom Karfreitag her, sie geht unter die Haut. Und im Evangelium kündet Jesus sein eigenes Leiden und Sterben an: „Der Menschensohn muss vieles erleiden“. „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“.

Jesus ist gekommen, um zu heilen

Wir tun heute alles, um Schmerzen und Leid zu vermeiden. Die Schmerztherapie hat enorme Fortschritte gemacht in den letzten Jahren. Ihr Ziel ist es, jeden Schmerz zu eliminieren. Das ist gut aus christlicher Sicht, weil Jesus gekommen ist, um uns zu heilen.

Und trotzdem gibt es Leid in unserem Leben, das erst einmal nicht „weggemacht“ werden kann. So scheint es in Jesu Leben gewesen zu sein, und so kündigt er es auch für uns alle an, die ihm nachfolgen wollen.

 

Das Kreuz gehörte zu Jesu Weg dazu. Und er kündigt allen seinen Nachfolgern an: es wird auch zu unserem gehören.

 

Es ist klar, dass es nicht in den Kopf des Petrus geht, dass Jesus leiden wird. Von Gott, vom Heiland, erwarten wir ja gerade die Aufhebung allen Leides. Wenn wir ihn leiden sehen, dann würde das doch heißen, dass er selbst nicht Herr des Leidens, sondern dem Leid unterworfen ist. Das geht gar nicht, sagt Petrus. Aber Jesus antwortet mit großer Bestimmtheit, dass hier Petrus wohl den Willen Gottes mit dem menschlichen Willen verwechsele. Das Kreuz gehörte zu Jesu Weg dazu. Und er kündigt allen seinen Nachfolgern an: es wird auch zu unserem gehören.

 

Jesu Botschaft ist eine Provokation

Wenn man das einmal konkret nimmt, so ist diese Botschaft heute eine Provokation wie damals. Paulus sagt im 1. Korintherbrief: „Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (1 Kor 1,23) Das Kreuz, der Gekreuzigte, ist eine solche Provokation, dass sich die jungen Christen in den ersten Jahrhunderten nicht einmal trauten, ihren Herrn am Kreuz darzustellen. Stattdessen war der Fisch ein Erkennungszeichen, oder Jesus wurde als Guter Hirt gezeigt.

 

Christusdarstellung am Kreuz: Seit dem 5. Jahrhundert

Die allererste Darstellung Christi am Kreuz stammt erst aus dem 5. Jahrhundert. Sie findet sich übrigens nur wenige Meter von hier in der Basilika Santa Sabina. Und obwohl wir inzwischen tausende Kruzifixe gesehen haben und uns an die Kreuzesdarstellungen mehr als gewöhnt haben, bleibt Christus am Kreuz, wenn man es ehrlich betrachtet, eine Provokation, auch heute. Der Sohn Gottes, der leidet. Der Knecht Gottes, der sich nicht wehrt, nicht zurückweicht, sondern seinen Rücken denen hinhält, die ihn schlagen, und seine Wangen denen, die ihm den Bart ausreißen. Jesus, der das Kreuz auf sich nimmt und leidet und für uns stirbt.

 

Leiden auf sich nehmen

Ein Bekannter von mir hat eine Frau, die unter starken psychischen Problemen leidet. Sie kann die Freuden der Liebe nicht mehr mit ihm teilen. Er ist ein Mann, in den besten Jahren, und leidet darunter. Ob er sich trennen soll? Das Leiden wäre leicht aufzuheben. Ob das Leid zu etwas gut ist? Er leidet weiter, weil er seine Frau liebt und ihr treu sein will.

 

Aber wir sollten nicht zu viel herummanipulieren, am Anfang wie am Endes des Lebens, das doch ganz von Gott kommt und in Gottes Hand liegt.

 

Besonders augenfällig wird das Problem in der Frage der Sterbehilfe. Das wäre ein eigenes Thema. Zum einen ist meine Beobachtung, dass es oft die Angehörigen sind, die den Anblick des alten Menschen nicht mehr ertragen können und ihm deshalb ein schnelleres Ende wünschen. Das ist verständlich. Das ist dann aber ihr Problem. Manchmal muss man im Alter noch viel leiden. Und es ist nicht fair – bei meinem Vater war es so. Er, der ein gutes Leben geführt hatte, warum musste er am Schluss noch so leiden? Aber ich spürte, dass er da durch etwas hindurchgehen musste, das zu ihm gehörte, vor dem ich nur mit Respekt stehen bleiben konnte, es war sein Kreuz. Es ist ja sympathisch, dass wir nicht wollen, dass jemand leidet. Aber wir sollten nicht zu viel herummanipulieren, am Anfang wie am Endes des Lebens, das doch ganz von Gott kommt und in Gottes Hand liegt. Wir sollten nicht nur auf unseren Willen hören, sondern auch auf den Willen Gottes. Das Leiden scheint, zumindest in begrenztem Masse, zu unserem Leben, und auch zu unserer Nachfolge dazuzugehören. Und oft sehen wir darin keinen Sinn. Aber es ist vielleicht nicht immer unsere Aufgabe, darin einen Sinn zu sehen. Den finden wir in Gott. Das Leben des Menschen ist ein Geheimnis, und auch das Leiden des Menschen ist ein Geheimnis.

 

Das Kreuz nicht einfach abschütteln

Bitte verstehen Sie mich hier nicht falsch: das Leiden, die Krankheit, die Ungerechtigkeit muss bekämpft werden! Aber es gibt zuweilen auch noch eine andere Wahrheit, und dass ist das Kreuz, dass man nicht so einfach abschütteln oder aus dem Weg schaffen kann. „Jeder nehme sein Kreuz auf sich“, sagt Jesus.

Noch ein kurzes Erlebnis möchte ich mit Ihnen teilen. Ich war einmal in Irland in dem alten, berühmten, inzwischen verlassenen Klosterdorf Glendalough. Da steht ein großes Steinkreuz, vielleicht 3 Meter hoch. Es gibt einen Brauch, dass man versuchen soll, die Arme um das große Kreuz zu legen, und wenn man es schafft, dass sich die Finger berühren, dann kann man sich etwas wünschen, und dieser Wunsch geht in Erfüllung. Gesagt – getan. Ich habe mir große Mühe gegeben, mit meinen Händen das Kreuz zu umgreifen. Und geschafft! Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht mehr, was ich mir damals gewünscht habe, aber eines habe ich nicht vergessen. Am nächsten Tag zeigte mir jemand ein Foto, das er von mir gemacht hatte, wie ich das Kreuz umfange. Und da durchfährt es mich: Ich umarme das Kreuz! Das ist die Botschaft: Wenn Du Dein Kreuz annimmst, umarmst, dann geschieht alles recht, dann wird alles letztlich so, wie es gut ist für Dich.

 

 

Ist es nicht so, dass gerade durch die Annahme des Kreuzes Jesus uns erlöst hat? Durch die freiwilligen Annahme. Es geht hier nicht um ein von außen aufgesetztes Leiden. Es geht um ein Leiden, das einem begegnet, das schlimm ist, das schrecklich ist, und das ich trotzdem freiwillig annehme. Bei dem ich mich nicht wehre, nicht zurückweiche, sondern dass ich umarme. Man tut es nicht aus Masochismus, sondern aus der Hoffnung heraus, die Jesaja verkündet: „Siehe, GOTT, der Herr, wird mir helfen.“ Es bleibt provozierend, und es ist nicht leicht. Aber wir dürfen daran denken, dass Jesus uns ja an dieser Stelle nicht nur sein Leiden verkündet, sondern auch seine Auferstehung. Das Leiden wird eines Tages ein Ende haben. Aber den Zeitpunkt bestimmt Gott. Meine Aufgabe ist es, jetzt mein Kreuz auf mich zu nehmen, eben täglich, und Jesus nachzufolgen.

Manchmal ist es sogar so, dass das Kreuz leichter und erträglicher wird in genau dem Moment, in dem wir es annehmen. Wenn wir es hingegen verleugnen, vor ihm weglaufen, kann es sein, dass es uns folgt und auf neue Weise einholt.

In der Kirchengeschichte wurde manchmal die Leidensspiritualität überbetont. Daher ist es wichtig, sich immer zu fragen, ob ein Kreuz, das mir begegnet, wirklich ein Kreuz ist, das vom Herrn kommt, oder ob es ein eingebildetes ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns Gott nie über unsere Kräfte versucht. Und Jesu Wort gilt, das er an anderer Stelle seinen Jüngern sagt: „Mein Joch ist milde und meine Bürde ist leicht“. Das Kreuz, das Gott uns zumutet und das wir annehmen, ist nie zu schwer.

 

Jesus erlöst uns von Krankheit und Tod

Liebe Brüder und Schwestern, ich wünsche uns allen, dass wir nicht leiden müssen. Ich wünsche uns, dass wir das Kreuz, dass Gott uns zumutet, freimütig und mutig annehmen und es tragen. Am Wegesrand mögen wir immer wieder Brüder und Schwestern finden, die uns tatkräftig helfen, wie Simon von Zyrene. Und vor uns her geht ja Jesus, der selbst gelitten hat, der uns von Krankheit und Tod erlösen will, und der uns nie im Stich lässt.

(radio vatikan redaktion – claudia kaminski)

Im September begleitet uns bei ‚Unser Sonntag‘ Pater Mauritius Wilde, OSB, von der Abtei Sant‘ Anselmo auf dem Aventin in Rom.
In Hildesheim geboren und aufgewachsen, trat er mit 19 Jahren in die Benediktinerabtei Münsterschwarzach ein. Pater Mauritius studierte Theologie in Würzburg und promovierte in Tübingen in katholischer Theologie.
Er war zunächst Prior der US-amerikanischen Niederlassung des Klosters Münsterschwarzach in Schuyler, Nebraska. Seit 2016 ist er Prior der Benediktinerabtei Sant’ Anselmo in Rom.

Der Benediktiner hat zahlreiche Bücher in deutscher Sprache verfasst. In englischer Sprache erscheint sein Blog wildemonk.net mit regelmäßig erscheinenden spirituellen Impulsen; seine Podcasts erscheinen auf https://www.discerninghearts.com/catholic-podcasts/