Mk 10, 17–30
Ich würde so gerne einen Seniorenkreis mit meiner Nachbarin gründen, weil ich weiß, dass sie einsam ist, und so etwas braucht. Damit würde ich aber auch zugeben, dass ich einsam bin, und diese Blöße will ich mir nicht geben.
Ich würde so gerne ein Freiwilliges Soziales Jahr in Afrika machen, und dort meine Lieblingshilfsorganisation unterstützen. Aber die Unterbringung wird schlecht sein – in diese Situation möchte ich mich nicht begeben.
Geliebte Brüder und Schwestern! Wir schauen uns heute eine der vielleicht traurigsten Geschichten des Evangeliums an. Wir merken anhand dieser Erzählung, wie häufig Menschen ihre Prioritäten falsch setzten. Denn wir hören heute von einem jungen Mann, der in der entscheidenden Situation nicht loslassen kann, obwohl er eigentlich die richtigen Bestrebungen im Leben hat – obwohl Jesus Christus so Großes mit ihm vorhat. Schauen wir uns deshalb jetzt das Thema Berufung an, und wie wir die richtigen Prioritäten im Leben setzen.
Ich möchte mit Ihnen diese Bibelstelle konkreter anschauen und dabei einen bestimmten Fokus setzen. Wir hören von einem jungen, wohlhabenden Mann. Unwichtig ist dabei, ob er nach heutigem Standard wirklich reich ist. Sicher ist, dieser junge Mann besitzt genügend und er fängt Jesus nach der Segnung einiger Kinder ab. Er fragt ihn sehr direkt: “Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?” Er zeigt hiermit etwas Großartiges: Dieser junge Mann ist ambitioniert und will das ewige Leben erlangen.
Er fällt auf die Knie
Er will sich zu dieser Zeit schon richtig verhalten und sich damit für das ewige Leben absichern. Dieser junge Mann fällt sogar anbetend auf die Knie vor Jesus, welcher ihm mitteilt: halte die Zehn Gebote. Er zeigt uns, wie er selbst einmal sagt, dass er nicht gekommen ist, um das Gesetz aufzuheben, sondern um es zu erfüllen. Er bestätigt uns damit auch, dass die Zehn Gebote bis heute die Basis eines christlichen Lebens sind. Er beantwortet also dem jungen Mann die Frage nach einem richtig geführten, gottgefälligen Leben, erstens mit dem allgemeinen Ruf zur Heiligkeit. Das bedeutet, dass jeder Mensch berufen ist, sich durch die Gnade Gottes zu reinigen und helfen zu lassen, und dadurch so wie Jesus Christus ein heiliges und reines Leben zu führen.
Die zehn Gebote
Aber der junge Mann bestätigt uns, dass er mehr verlangt. Er kennt die Zehn Gebote seit seiner Jugend und meint, dass er sie schon recht gut befolgt. Er fragt weiter, und Jesus verheißt ihm Großes! Er möchte, dass er sich von seinem Wohlstand löst, damit Jesus ihn in eine besondere Nachfolge rufen kann. Vor allem, wenn wir die spätere Formulierung Jesu gegenüber den Aposteln betrachten, zeigt sich, dass er den jungen Mann auch zu einer Rolle in der Jüngerschar berufen wollte: ich denke sogar zum Priester oder ähnlichem! Schließlich hat er sich schon lange vorbereitet und versucht sehr motiviert und kraftvoll, ein heiliges Leben zu führen.
Jesus sieht sein Potential
Ich denke Jesus sieht in ihm Potential und will ihm seine eigene Berufung aufzeigen. Er will ihn wegen und mit seiner Liebe in die Nachfolge als Jünger rufen und zeigt ihm dies sogar mit einer Umarmung. Hier passiert jedoch der traurige Wandel und der junge Mann entscheidet sich falsch. Sein Herz ist bei dieser Probe doch nicht richtig eingestellt und seine Prioritäten sind falsch gesetzt. Jesus entlarvt, dass seine Bereitschaft, für das ewige Leben richtig zu handeln, leider begrenzt ist. Es ist nicht seine erste Priorität. Er hängt stärker an anderem!
Fehlende Freiheit
Es sind nicht die Güter, die er besitzt. Es ist nicht, dass er sich mit den Gütern versorgt und nicht abhängig oder notleidend ist. Der Punkt den Christus erkannte ist, dass er durch die Menge an Gütern und seine Beziehung dazu nicht die Freiheit hat, Jesus und seinem Ruf zu folgen. Dies ist das wirklich Traurige. Wir hören das auch bestätigt durch einige antike Quellen, die bei dieser Bibelstelle einen kleinen Zusatz machen, und Christus so später sagt: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, und daran ihr Herz hängen, in das Reich Gottes zu kommen! Vielleicht wurde dieser kleine Einschub hinzugefügt, um klarzustellen, was gemeint ist, damit die Christen aller Zeit nicht verwirrt sind.
Wir hören in einer Predigt des Papstes Johannes Paul II, wie er aufgrund dieser Bibelstelle, besonders jungen Menschen ans Herz legt, diese Entscheidung über die Prioritäten in ihrem Leben, richtig zu treffen. Er hielt diese Predigt bei seiner ersten apostolischen Reise nach Amerika während einer Messe in Boston im Jahr 1979.
“ […] Dieses zutiefst eindringliche Ereignis drückt in seiner prägnanten Eloquenz eine große Lektion in wenigen Worten aus: Es berührt substanzielle Probleme und grundlegende Fragen, die in keiner Weise an Relevanz verloren haben. Überall stellen junge Menschen wichtige Fragen – Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach der richtigen Lebensweise, nach der wahren Werteskala: „Was muss ich tun…?“ „Was muss ich tun, um am ewigen Leben teilzuhaben?“
Diese Frage zeigt Ihre Gedanken, Ihr Gewissen, Ihr Herz und Ihren Willen. Diese Frage zeigt so auch der Welt, dass Sie, junge Menschen, eine besondere Offenheit gegenüber dem Guten und Wahren in sich tragen. Diese Offenheit ist gewissermaßen eine „Offenbarung“ des menschlichen Geistes. Und in dieser Offenheit für die Wahrheit, für das Gute und für das Schöne, kann jeder von euch zu sich selbst finden; ja, in dieser Offenheit könnt ihr alle in gewisser Weise erfahren, was der junge Mann im Evangelium erlebt hat: „Jesus sah ihn mit Liebe an”
Deshalb sage ich jedem von euch: Hört auf den Ruf Christi, wenn ihr ihn zu euch sagen, hört: „Folgt mir nach!“ Geh meinen Weg! Steh an meiner Seite! Bleib in meiner Liebe!
Es gibt eine Wahl zu treffen: eine Wahl für Christus und seine Lebensweise und sein Liebesgebot. […]”
(auf Englisch: https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/en/homilies/1979/documents/hf_jp-ii_hom_19791001_usa-boston.html)
Wenn wir uns diese Bibelstelle und den großen Spannungsbogen anschauen, in deren Mitte der junge Mann leider die falsche Entscheidung trifft, kommt bei uns eventuell die Frage auf, wie wir in unserem Leben handeln können. Einige Vorschläge dazu: Wir können persönlich Gott fragen, so wie der junge Mann Jesus Christus gefragt hat: Was soll ich mit meinem Leben machen, wozu hast du mich geschaffen und warum gibt es mich eigentlich? Also Fragen nach der persönlichen, eigenen Berufung und Gottes Ziel für unser Leben. Wir können ihn weiterführend fragen, was wir loslassen müssen und wovon wir uns entfernen sollen. Und wir können schließlich Gott um Hilfe fragen, wenn wir unser eigenes Unvermögen und unsere Hilfsbedürftigkeit erkennen, wenn wir Schwierigkeiten haben, unsere Prioritäten richtig zu setzen.
Herausforderung: Berufung und Beruf
Wie sehen solche Situation im Leben konkret aus? Ich habe einige solche Begegnung gemacht. Ich kenne einen jungen Mann, der sich zum Priester berufen fühlt, aber nicht mit den Beschränkungen auskommt. Es kann der Zölibat oder die Einordnung in eine Hierarchie und die Verpflichtung zu Gehorsam sein. Für zur Ehe Berufene kann die Herausforderung die Treue sein. Lege ich meine Priorität einer einzigen dauerhaften und fruchtbaren Partnerschaft fest, und kann so Gottes Ruf als heilige Ehepartner und Eltern folgen? Oder halte ich an meiner angenommenen Freiheit fest. Andere befinden sich in der Situation eines Berufs, der nur durch sündhaftes Verhalten und über Leichen gehen Erfolg verheißt. Die Priorität kann hier nur bei wirtschaftlichen und Karriereerfolg, oder christlichen Vorstellungen von gerechtem und korrektem Verhalten liegen.
Demut und Gemeinschaftsfähigkeit
Hat die Person hier den Mut, die Priorität richtig zu setzen und eine neue Arbeitsstelle oder Beruf zu suchen oder nicht? Andere müssen die Entscheidung zwischen sich und einer Gruppe treffen: Liegt die Priorität hier bei der Demut und Gemeinschaftsfähigkeit oder ist das Selbst wichtiger. Solche Entscheidungen in Kleinen oder Großen finden sich auch in unserem Leben wieder. Nur wir selbst können so mit der Gnade Gottes unsere Prioritäten richtig setzten.
Wir wissen nicht, ob der junge Mann dauerhaft wegging oder eine Bekehrung durchmachte. Wir lernen daraus aber, dass es eventuell nur eine Situation in unserem Leben geben kann, in der wir mit der Entscheidung konfrontiert werden, woran wir hängen und wo unsere Prioritäten liegen. Selten kommt es vor, dass Christus einen Menschen so direkt fragt, ob er ihm folgen will. Diese traurige Geschichte kann für uns aber zu Verheißung und großen Freude werden. Denn sie zeigt, dass Christus uns eine Antwort gibt, wenn wir ihn fragen. Und, dass er uns so liebend umarmt, und uns hilft unseren Ruf, unser Ziel des Lebens zu finden.
(radio vatikan – redaktion claudia kaminski)
Im Oktober begleitet uns bei Unser Sonntag Leonard Skorczyk. Der 25-jährige stammt aus der Pfarrei Heilige Dreifalitgikeit in Amberg und studierte Theologie in Heiligenkreuz, den Vereinigten Staaten und in Regensburg. Am 26.Juni 2021 wurde er in Regensburg von Bischoff Rudolf Vorderholzer zum Priester geweiht.
Derzeit ist er in der Domstadt Kaplan in der Pfarrei Herz Marien.
Durch eine frühe Begeisterung für Evangelisierung und Mission begann er sofort nach dem Abitur mit dem Studium der Philosophie, Theologie und Psychologie und trat mit 18 Jahren ins Priesterseminar ein. Schon während des Studiums wirkte er bei Medienprojekten mit.
Seine Abschlussarbeit schrieb er im Bereich der perimortalen Wissenschaften, über die Verbindung von Seelsorge und Trauerarbeit