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Prof. Schwienhorst-Schönberger erläutert, warum dieses Sonntagsevangelium eine zutiefst frohe Botschaft ist. Auch wenn dem modernen Zeitgenossen die Unterscheidung zwischen der Sünde und dem Sünder schwer zu vermitteln ist. Wenn Menschen mit Sündern Umgang pflegen, entsteht sofort der Verdacht, sie würden deren Sünde gutheißen oder zumindest doch darüber hinwegsehen.

Prof. Dr. Ludger Schwienhorst-Schönberger

Lk 19,1–10 Lesejahr C 

Schwer zu vermitteln ist einem modernen Zeitgenossen die Unterscheidung zwischen der Sünde und dem Sünder. Wenn Menschen mit Sündern Umgang pflegen, entsteht sofort der Verdacht, sie würden deren Sünde gutheißen oder zumindest doch darüber hinwegsehen. Es ist geradezu unmöglich, dass eine angesehene Person des öffentlichen Lebens mit einer anderen Person oder einer Personengruppe, deren Ruf zweifelhaft ist oder die gar schwere Verbrechen begangen hat, Umgang pflegt.

Auch im politischen Leben wird immer wieder die Frage diskutiert, ob man mit radikalen Parteien, die es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen, Kontakt aufnehmen darf. Um sich vom Unrecht zu distanzieren, meidet man den Umgang mit denen, die Unrecht tun oder dazu aufrufen. Und das dürfte in den meisten Fällen auch gut sein. Auf diese Weise wird der Übeltäter aus der Gesellschaft ausgeschlossen und die Gemeinschaft vor seinen negativen Einflüssen geschützt.

Ausschluß von Sündern

Auch der Apostel Paulus rät der Gemeinde von Korinth, ein Mitglied, das sich schwer versündigt hat, aus der Gemeinschaft auszuschließen. Im ersten Brief an die Korinther schreibt der Apostel: „Habt nichts zu schaffen mit einem, der sich Bruder nennt und dennoch Unzucht treibt, habgierig ist, Götzen verehrt, lästert, trinkt oder raubt; mit einem solchen Menschen sollt ihr keine Tischgemeinschaft haben. […] Schafft den Übeltäter weg aus eurer Mitte!“ (1 Kor 5,11.13). Hat Paulus damit gegen das hohe Ethos Jesu verstoßen, der mit Zöllnern und Sündern Tischgemeinschaft pflegt?

Medizinische Hilfe darf nicht verweigert werden

Es gibt in unserer Gesellschaft einen Personenkreis, denen man den unmittelbaren Kontakt zu Verbrechern nachsieht: Es sind all diejenigen, die sich um die Heilung dieser Menschen kümmern. Wird ein Verbrecher bei einer Razzia schwer verletzt, so wird ihm in allen zivilisierten Gesellschaften ärztliche Hilfe zuteil. Meines Wissens sind Ärzte sogar dazu verpflichtet, allen Menschen, auch Schwerverbrechern, medizinische Hilfe zukommen zu lassen, sobald sie darauf angewiesen sind. Dieser Grundsatz lässt sich in unterschiedlicher Abstufung auf alle Berufe ausweiten, die in irgendeiner Weise mit der Heilung und Rehabilitierung von Übeltätern zu tun haben.

„Jesus pflegt Gemeinschaft mit notorischen Sündern“

Viele Geschichten des Neuen Testaments erzählen, dass Jesus Gemeinschaft mit notorischen Sündern pflegt, mit den sprichwörtlichen Zöllnern und Sündern. Auch im heutigen Evangelium begegnet ein solcher Zöllner, Zachäus ist sein Name. Jesus kehrt bei ihm ein. Die Reaktionen der Umstehenden sind mehr als verständlich. Im Evangelium heißt es: „Alle, die das sahen, empörten sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt.“ Zöllner hatten im damals von den Römern besetzten Land der Juden einen schlechten Ruf; wohl nicht zu Unrecht. Sie galten als Kollaborateure der Besatzungsmacht und dürften sich bei den ihnen zustehenden Steuereintreibungen wohl auch persönlich bereichert haben.

War Jesus ein liberaler Rabbi?

So einer war Zachäus. „Er war der oberste Zollbeamte und er war reich“, heißt es im Evangelium. Die Empörung aller, die sahen, wie Jesus bei diesem Oberzöllner einkehrt, ist allzu verständlich. Allerdings nur unter einer Voraussetzung, nämlich der, dass sie nicht wissen, wer Jesus ist. Heutzutage vertreten einige die Ansicht, die Gemeinschaft Jesu mit den Sündern deute darauf hin, dass er es mit der Sünde nicht so genau genommen habe; dass er ein liberaler Rabbi gewesen sei, der die Gebote der Tora demonstrativ übertreten oder gar außer Kraft gesetzt habe. Auch hierbei handelt es sich um ein Missverständnis, das genau spiegelverkehrt zum Missverständnis der vielen steht, die sich über den Umgang Jesu mit Sündern empören. „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. […] Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird auch im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich“, sagt Jesus zu Beginn der Bergpredigt im Matthäusevangelium.

„Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist“

Beide Missverständnisse, sowohl das eine, Jesus würde sich mit der Sünde gemein machen, als auch das andere, er würde es mit der Sünde nicht so genau nehmen, werden im heutigen Evangelium zurückgewiesen. „Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist“, lautet der Schlusssatz unserer Perikope. Mit dieser Antwort weist Jesus die Kritik aller an seinem Verhalten zurück. Sachlich ist diese Aussage identisch mit einem Wort Jesu aus dem 5. Kapitel des Lukasevangeliums. Die dort am Anfang des öffentlichen Auftretens Jesu erzählte Geschichte bildet eine Parallele zu unserem heutigen Evangelium gegen Ende seines öffentlichen Wirkens auf dem Weg über Jericho nach Jerusalem.

Das Murren der Pharisäer

In Lk 5 ist es der Zöllner Levi, der mit einer großen Zahl seiner Berufskollegen Jesus zu einem Gastmahl in seinem Haus empfängt. Auch dort kommt es zu Empörungen: „Da murrten die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten und sagten zu seinen Jüngern: Wie könnt ihr zusammen mit Zöllnern und Sündern essen und trinken? Jesus antwortete ihnen: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, um Gerechte, sondern Sünder zur Umkehr zu rufen“ (Lk 5,30–32). Jesus ist der Arzt, der Heiland, der die Wunden der Menschen heilt und ihnen hilft, ihr Leben neu auszurichten.

Die Faszination Jesu

Allein seine Gegenwart übt auf die Verlorenen eine tiefe Faszination aus. Die Begegnung mit dem Guten setzt in vielen Menschen eine Bewegung in Gang, die sie selbst gut werden lässt. So auch bei Zachäus. Kaum dass Jesus bei ihm eingekehrt war, „wandte er sich an den Herrn und sagte: Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, und wenn ich von jemandem zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück“ (Lk 19,8). Damit geht er weit über das vom Gesetz Geforderte hinaus (vgl. Ex 22,3).

Zachäus sucht Jesus

Am Anfang dieser wunderbaren Begegnung zwischen Jesus und Zachäus steht eine Suche. Zachäus suchte Jesus, um zu sehen, wer er sei. Jesus erblickt Zachäus auf dem Maulbeerfeigenbaum und ruft ihm zu: „Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben. Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf.“
Diese Erzählung ist eine zutiefst frohe Botschaft. Jesus möchte bei uns einkehren und bei uns bleiben. Wenn wir uns seinem Wunsch öffnen, werden wir geheilt, werden wir gerettet, werden wir wieder gut, wird unsere Sehnsucht gestillt. „Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“

(radio vatikan – redaktion claudia kaminski)