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Jesus fasst die Liebe in das Bild vom Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt. Wenn es stirbt, bringt es reiche Frucht. Das sei frühlingshaft, so Dr. Michael Max in seinem Kommentar – und: Leben entsteht nur aus der Hingabe.

Wir veröffentlichen hier die Sendung „Unser Sonntag“, die unsere Direktorin für Kommunikation, Dr. Claudia Kaminski, im März mit Dr. Michael Max, dem neuen Rektor der Anima in Rom, für unseren Partnersender Radio Vatikan produziert.

Dr. Michael Max, Rektor der Anima, Rom

 5. Fastensonntag

Der fünfte Fastensonntag fällt in diesem Jahr auf den 21. März. An diesem Tag sind Tag und Nacht genau gleich lang. Eine neue Jahreszeit beginnt. Es wird Frühling. Im alten Rom war das die Zeit, in der das römische Heer gemustert wurde, bevor es wieder in den Krieg zog. Das geschah auf dem sogenannten Marsfeld, damals vor der Stadt im Tiberknie gelegen.

Benannt nach Mars dem Kriegsgott, von dem dann auch dieser Monat seinen Namen bekam: März. Inzwischen ist Campo Marzo, das ehemalige Marsfeld zum pulsierenden Zentrum der Stadt rund um die Piazza Navona geworden. Auch unsere Kirche, Santa Maria dell‘ Anima findet sich dort. Das Martialische ist Gott sei Dank längst verschwunden. Heute ist es ein Ort der Begegnung, des Staunens und um das Leben zu genießen. Vor allem in der Frühlingssonne im März. Sie lässt uns wehmütig spüren, dass wir uns gerade in diesen Tagen vielfach nach einem Neuanfang sehnen.

Berufen zum Leben in Fülle

Frühling ist die Zeit der Aussaat, der neuen Motivation, der neuen Ziele und Pläne. Gerade im Frühling wird uns bewusst, dass wir als Menschen zum Leben berufen sind. Und nicht nur zu ein bisschen Leben, das gerade so recht und schlecht zum Durchkommen reicht; nicht zum Überleben, sondern zum Leben in Fülle. Wenn wir länger daran gehindert werden, wodurch auch immer, kann es uns nicht gut gehen.
Vielleicht war es genau dieser Satz von Jesus: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben“, der jene griechischen Pilger neugierig gemacht hat, von denen am Beginn des Evangeliums zum fünften Fastensonntag im Lesejahr B die Rede ist. „Wir möchten Jesus sehen“, sagen sie zu Philippus, dessen griechischer Name erklärt, warum sie sich an ihn gewandt haben.

Reine Neugier oder tiefes Sehnen?

Aus dem Anliegen allein wird nicht deutlich, ob es reiner Neugier entspringt, oder ob sich dahinter ein tiefes liegendes Sehnen verbirgt. Aber wie so oft im Johannesevangelium umfängt diesen Satz eine Zeitlosigkeit, in der er auch von uns stammen könnte. „Wir möchten Jesus sehen!“. Warum eigentlich? Weil es unserem Glauben Gewissheit geben könnte, so wie beim Apostel Thomas, der auch nicht auf andere angewiesen sein möchte, um an den Auferstandenen zu glauben. Aber muss nicht gerade er sich sagen lassen: „Selig, die nicht sehen und doch glauben?“

 

Oder es geht uns so wie der Martha aus Bethanien, die sich in ihrer Not den eigenen Bruder sterben zu sehen, wünscht, dass Jesus da wäre, um ihr zu helfen. „Herr, wenn du dagewesen wärest, wäre mein Bruder nicht gestorben.“, sagt sie zu ihm, als er kommt und scheinbar schon alles zu spät ist. Geht das so einfach? Steckt hinter diesem „Ich will Jesus sehen“ nicht die Gefahr, diesen Jesus zu verzwecken? „Lass dich sehen Jesus, dann habe ich kein Problem mit dem Glauben mehr! Lass dich sehen Jesus, dann kannst du alles in Ordnung bringen, womit ich nicht fertig werde. Aber so funktioniert das nicht. Im Verzwecken anderer liegt keine Lebenskraft. Das schafft mir vielleicht dort und da schnell einmal einen Ausweg. Aber nur um den Preis, kurz darauf noch tiefer in einer Sackgasse zu enden. Leben in Fülle sieht anders aus.

Wir wollen Jesus sehen – wird nur dort ein Weg zum Leben, wo das Sehen nicht ein Einverleiben und Besitzen sein will

„Wir wollen Jesus sehen“ wird nur dort ein Weg zum Leben, wo das Sehen nicht ein Einverleiben und Besitzen sein will, sondern ein sich schenken. Ich will dich sehen, weil ich bei dir sein möchte. Ich will dich sehen, weil ich dir gehöre, weil ich mich nicht nur an einen Gedanken oder ein Bild verschenken kann, sondern an einen, der zum realen Ereignis in meinem Leben wird. Das Sehen kommt vom Lieben und die Liebe vom Sehen.
„Lieben“ und „sehen“ werden in der Beziehung zwischen Jesus und seinem himmlischen Vater zu zwei Seiten einer Medaille. Im Johannesevangelium steht für diese besondere Verbindung das Wort „verherrlichen“. Und in diese Herrlichkeit möchte Jesus uns alle mit hineinnehmen. Der Wunsch: „Wir möchten Jesus sehen“ öffnet also eine Dimension, die denen, die ihn zum Ausdruck brachten, nicht bewusst sein konnte.

Das Kreuz dem Blick entzogen…

So werden auch ab dem fünften Fastensonntag, dem Passionssonntag, in unseren Kirchen die Kreuze verhüllt. Sie werden unseren Blicken entzogen, wir können sie und Jesus daran nicht mehr sehen. Ein Ritual, das hinzielt auf den Höhepunkt der Karfreitagsliturgie, wenn inmitten der Gemeinde der Gekreuzigte feierlich enthüllt wird. So soll unser Blick zum Kreuz, unser Schauen auf Jesus wieder neu werden und uns daran erinnern, welche Liebe uns anblickt von dort, wo er uns alle an sich zieht.
Jesus fasst diese Liebe in das Bild vom Weizenkorn. Wenn es nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. So einfach und so alltäglich ist das. Und so frühlingshaft. Leben entsteht nur aus der Hingabe. Wer das Leben festhalten will, dem zerrinnt es zwischen den Fingern. Wer es einsetzt und verschenkt, der erfährt, dass es nur darin zur Erfüllung wird.

Im Weizenkorn Jesus verschenkt sich Gott ganz und gar an uns Menschen

Im Weizenkorn Jesus verschenkt sich Gott ganz und gar an uns Menschen. Er verschenkt sich an unser Leben, an unsere Liebe, an unser Scheitern und selbst an unseren Tod. Unser Menschsein ist die Erde, in die er sich ganz hineinbegibt, um alle, ganz ohne Ausnahme an sich zu ziehen. In meinem Menschsein möchte er Frucht bringen, oder besser gesagt: Mein Menschsein möchte er so zur Frucht bringen, wenn ich ihm darin nachfolge, mein Leben zum Geschenk mache, und so erfahre, dass es zur Fülle wird.
„Das Weizenkorn muss sterben, sonst bleibt es ja allein. Der eine lebt vom andern, für sich kann keiner sein. Geheimnis des Glaubens: Im Tod ist das Leben!“. Das ist ein klassisches Lied aus der Fastenzeit, von Lothar Zenetti scheinbar geschrieben genau für diesen Passionssonntag. Im Lied wird das Weizenkorn, das sich verschenkt und Frucht bringt, zum Synonym für das Brot, und die Eucharistie zum Ort, an dem die lebensspendende Hingabe des Herrn zeitlos bewahrt wird:

Geheimnis des Glaubens

„So gab der Herr sein Leben, verschenkte sich, wie Brot. Wer dieses Brot genommen, verkündet seinen Tod! Geheimnis des Glaubens: Im Tod ist das Leben.“
In der Eucharistie bekommt der Wunsch: „Wir wollen Jesus sehen!“ seine letzte Schärfe. Hier, im schlichten Zeichen des zerbrochenen Brotes, sehen wir ihn tatsächlich als das Lamm Gottes. Hier fallen sehen und lieben ultimativ zusammen. Hier nimmt der Mensch schon Teil an der Herrlichkeit Gottes, die am Tisch des himmlischen Festmahls einmal endgültig als Leben erfahren wird. Und hier wird die Liturgie zur Diakonie, wird die Verherrlichung zum Dienst, wird das eigene Leben zum Geschenk für andere.
„Wer dies Geheimnis feiert, soll selber sein wie Brot. So lässt er sich verzehren von aller Menschen Not. Geheimnis des Glaubens: Im Tod ist das Leben.
Damit ist der Diener genau dort, wo auch sein Meister ist. So geschieht Nachfolge im Dienst an den Nächsten, im Sehen, im Lieben und im Tun. Damit wird der Herrscher dieser Welt, der nur sich selbst sehen, sich selbst lieben, für sich selbst etwas tun kann, hinausgeworfen. Darin bekommt die Welt eine neue Ausrichtung. Und so schließt auch das Lied von Lothar Zenetti mit der Zusage:
„Als Brot für viele Menschen hat uns der Herr erwählt. Wir leben füreinander und nur die Liebe zählt. Geheimnis des Glaubens: Im Tod ist das Leben.

(radio vatikan – claudia kaminski)